Hof Höcker

Statement zu den aktuellen Demonstrationen von Landwirten

Am 08.01.2024 werden die Landwirtinnen und Landwirte auch hier in Lengerich demonstrieren.

Aber warum eigentlich? Die sozialen Medien sind aktuell überflutet von Informationen, Meinungen, teilweise stark fragwürdigen und sogar hetzerischen Äußerungen zum „08.01.“. Wie soll man da den Durchblick behalten? Deswegen möchten wir euch gerne erklären, was unsere persönlichen Beweggründe sind.

Auslöser der Proteste waren die Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung der aktuellen Regierung. Die Pläne enthalten die sogenannte Kürzung von „klimaschädlichen Subventionen“, zu welchen auch die Agrardieselrückerstattung und die Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge zählen.

An dieser Stelle schieben wir einen kleinen Exkurs zum Thema „Subventionen in der Landwirtschaft“ ein, da diese ein brisantes und polarisierendes Thema sind. Fangen wir ganz vorne an. Unser Wirtschaftssystem ist die soziale Marktwirtschaft. Die negativen Auswirkungen einer freien Marktwirtschaft auf beispielsweise soziale und klimatische Aspekte werden hier durch Regulierungen des Staates abgepuffert. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung sind Subventionen „finanzielle staatliche Zuschüsse, die nicht direkt an eine Gegenleistung gebunden sind. Empfänger von Subventionen können (andere) Staaten, Unternehmen oder private Haushalte sein. Subventionen fließen direkt (Finanzhilfen) oder indirekt (Steuervergünstigungen).“

Auch die Landwirtschaft erhält Subventionen, deren Grundlage die gemeinsame Agrarpolitik der EU ist. Die Gelder, die an die Landwirte ausgezahlt werden, teilen sich in zwei Säulen auf. Die erste Säule der Direktzahlungen, die neben der gesunkenen Einkommensgrundstützung unter anderem Öko-Regelungen für den verpflichtenden Anteil von 4% an nicht-produktivem Ackerland, Blühstreifen, extensive Dauergrünland-bewirtschaftung und den Verzicht auf Pflanzenschutz umfasst, wird vollständig von der EU finanziert.

Die zweite Säule, der Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, wird aus Unionsmitteln aber auch aus regionalen oder nationalen Mitteln kofinanziert. Sie umfasst zum Beispiel Tierschutzmaßnahmen, Zuschüsse für den ökologischen Landbau, den Vertragsnaturschutz und Ausgleichszulagen für benachteiligte Gebiete, sowie Agrarumweltmaßnahmen wie die Anlage von Erosionsschutzstreifen, mehrjährigen Buntbrachen oder Uferrandstreifen. Ein beträchtlicher Anteil der Gelder, die wir erhalten, ist wie man hieraus erkennt, an Gegenleistungen gebunden. Ein Großteil der Subventionen ist in unseren Augen also lediglich eine Ausgleichszahlung für den Aufwand, der durch die Auflagen, die der Abpufferung negativer Auswirkungen der freien Marktwirtschaft dienen, entsteht.

Nachlesen könnt ihr die Informationen zu Subventionen zum Beispiel auch auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, der Landwirtschaftskammer NRW und des Europäischen Parlamentes (europarl.europa.eu).

Wir selbst setzen sehr viele der möglichen Maßnahmen aus der Überzeugung, dass wir eine nachhaltige und zukunftsfähige Landwirtschaft brauchen, gerne um. Ohne einen finanziellen Ausgleich wäre dies unmöglich.

Subventionen haben für viele Landwirte einen bitteren Beigeschmack. Wir möchten nicht von Beihilfen abhängig sein, sondern mit fairen Preisen für unsere Produkte am Markt bestehen können. Das Kaufverhalten der Verbraucher zeigt leider, dass die Bereitschaft den Preis für nachhaltig produzierte Lebensmittel zu zahlen, nicht in der breiten Masse vorhanden ist. So ist zum Beispiel die Nachfrage nach Produkten aus Haltungsstufe 4 gering und die Bio-Branche hat mit rückläufiger Nachfrage zu kämpfen.

Hinzukommt, dass so manche gesetzliche Auflage sowohl jeglichem gesunden Menschenverstand als auch unserer fachlichen Expertise widerspricht. Ein aktuelles Beispiel ist die Pflicht zur Einhaltung der Begrünungsfrist bis zum 15.11., die bei der diesjährigen Wetterlage keinen Nutzen bringt, sondern immense Schäden an den Böden anrichtet.

Das Grundproblem ist zusammenfassend, dass die Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte – egal unter welcher politischen Führung – davon geprägt war, dass Auflagen und Anforderungen seitens der Politik und der Gesellschaft immer weiter steigen, während sowohl unterstützende Mittel als auch die Bereitschaft der Verbraucher, den Preis für regional und nachhaltig erzeugte Lebensmittel zu zahlen, sinken.

An dieser Stelle richten wir einen Appell an Alle:

Kauft und fördert, was ihr fordert, oder steht dazu, wenn ihr es nicht tut!

Wenn wir auf unserem Hof nicht nur ein Fass für Regenwasser, sondern auch eins für durch politische Maßnahmen entstehenden Unmut hätten, dann hätte sich dies in den letzten Jahren Tropfen für Tropfen stetig gefüllt.

Die aktuellen politischen Vorhaben sind aus unserer Sicht der Gipfel gestrichener Leistungen und erhöhter Auflagen, die einschneidende Einkommenskürzungen in allen Bereichen der Landwirtschaft verursachen und uns Landwirten jegliche Planungssicherheit und Zukunftsperspektive nehmen. Sie bringen unser imaginäres Fass voller Unmut zum Überlaufen und überschreiten das Maß an Degradierung, das die deutsche Landwirtschaft ertragen kann. Hieraus resultiert das Motto der derzeitigen Demonstrationen der Agrarbranche „Zu viel ist zu viel! Es reicht!“.

Die Agrardieselrückerstattung ist, anders als von vielen angenommen wird, keine komplette Steuerbefreiung, sondern eine Rückerstattung eines Anteils von ca. 21ct der Steuern von ca. 47 ct, die wir auf einen Liter Diesel bezahlen. Hierfür muss im Dezember, nachdem das ganze Jahr über die gesamte Steuer entrichtet wurde, ein Antrag beim Zoll gestellt werden. Die Gelder werden also nicht von anderen Steuerzahlern getragen, Landwirte erhalten lediglich einen Anteil ihrer vorfinanzierten Ausgaben zurück. Diese Rückerstattung bekommen wir, weil der genutzte Diesel nicht auf der Straße verfahren, sondern auf den Feldern und in den Ställen zur Produktion von Nahrungsmitteln genutzt wird.

Für gerade diese Arbeiten brauchen wir starke Maschinen, für die es noch keine breit einsetzbaren Antriebsalternativen gibt. Zudem kommt auch die Forschung an E-Motoren für kleinere Traktoren und Hoflader oder an beispielsweise an Antrieben mit Biogas für kräftige Maschinen kaum voran. Fakt ist, dass die Nahrungsmittelproduktion unausweichlich auf die Nutzung von Diesel als Betriebsstoff angewiesen ist.

Paradox an der Streichung dieser „klimaschädlichen Subvention“ ist, dass sie allen nachhaltigen Bewirtschaftungsformen widerspricht. Zum Beispiel der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel ist nur dann möglich, wenn das Unkraut mechanisch durch mehrere Überfahrten mit somit höherem Dieselaufwand bekämpft wird. Auch die Tierhaltung auf Stroh ist nur dann möglich, wenn das Stroh unter dem Aufwand von Diesel von den Flächen geholt werden kann. Ganz besonders werden also nachhaltig wirtschaftende Betriebe unter der Streichung leiden.

Hinzu kommt, dass es die Agrardieselrückerstattung auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten gibt, in manchen wird sie sogar noch erhöht. Somit wird die geplante Streichung der Agrardieselrückvergütung die Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe massiv beeinträchtigen. Zum Vergleich zahlen Landwirte in Frankreich zum Beispiel anstatt der zukünftig in Deutschland geplanten 47,04ct/L nur 7,2ct/L. Die dänischen Bauern müssen sogar nur 5,8ct/L entrichten. Dabei sollten in einem fairen Binnenmarkt alle Teilnehmer zumindest unter ähnlichen Rahmenbedingungen produzieren können.

Wir begrüßen die Rücknahme der geplanten Streichung der Kfz-Steuerbefreiung, da es aus unserer Sicht keine logische Argumentationsgrundlage hierfür gibt. Auch wenn die Steuer nicht zweckgebunden ist, liegen ihr Argumente zugrunde. Land- und forstwirtschaftliche Maschinen werden hauptsächlich auf land- und forstwirtschaftlichen Flächen und nur im geringen Maße für die An- und Abfahrt zu den Flächen auf den Straßen genutzt. Eine steuerliche Gleichsetzung mit anderen Fahrzeugen ist daher schlicht ungerechtfertigt und stellt lediglich eine weitere überproportionale Belastung dar.

Neben den schon beschriebenen Kürzungen wird die Landwirtschaft zukünftig auch durch die Erhöhung der CO2-Steuern, der Umlage der erhöhten Mautgebühren, einem gesenkten Pauschalierungssteuersatz, dem gestrichenen Zuschuss für die Unfallversicherung, der Streichung von 30% der Ausgleichszahlungen, der Abschaffung der Gewinnglättung, der Mindestlohnerhöhung, der Versicherungspflicht für selbstfahrende Arbeitsmaschinen und weiteren höheren Auflagen belastet.

Eine besondere Rolle spielt die schon geltende verpflichtenden Stilllegung von 4% der Produktionsfläche. Dies bedeutet, dass Landwirte 4% der immer knapper werdenden landwirtschaftlichen Nutzfläche nicht zur Produktion benutzen dürfen.

Grund und Boden ist entgegen oft in den sozialen Medien auftauchender Kommentare für Landwirte selbst wenn er im eigenen Besitz ist keine Geldanlage, sondern ein Produktionsfaktor. Fällt dieser Produktionsfaktor zum Beispiel durch eine Umwandlung zu Kapital weg, hat man zwar viel Kapital, kann seinen Beruf aber auch nicht mehr ausüben. Außerdem hat sich in der Gesellschaft der Irrglaube festgesetzt, dass alle Landwirte Großgrundbesitzer sind. In der Realität müssen die meisten Landwirte die zur Nahrungsmittelproduktion nötige Fläche, die neben der voranschreitenden Flächenversieglung durch die Stilllegunungspflicht zusätzlich künstlich verknappt wird, zu hohen Preisen von oft über 1000€ pro Hektar zupachten.

Die Land- und Forstwirtschaft bilden mit der Fischerei und dem Bergbau den primären Sektor, der die Urproduktion von Rohstoffen in unserem Wirtschaftssystem umfasst. Dieser wird somit erheblich geschwächt, was auch Auswirkungen auf das gesamte hierauf aufbauende Wirtschaftssystem haben wird. Die Kombination umfassenden geplanten Maßnahmen betrifft neben Landwirten auch den wirtschaftlich bedeutsamen vor- und nachgelagerten Bereich des Agrarsektors sowie viele andere Branchen und Berufsgruppen und schädigt somit den gesamten ländlichen Raum.

Zudem steht die deutsche Landwirtschaft wie andere Branchen auch im internationalen Wettbewerb. Um die von der Gesellschaft und der Politik geforderten hohen Produktionsstandards zu erfüllen, müssen die Betriebe deutlich höhere finanzielle Mittel aufwenden, als landwirtschaftliche Betriebe anderer Staaten. Die aktuellen politischen Maßnahmen werden zu einer weiteren deutlichen wirtschaftlichen Schwächung der Betriebe führen, was einen noch stärkeren Anstieg des Höfesterbens zu Folge haben wird.

Die Konsequenz der Einsparvorschläge unserer Regierung für jeden Einzelnen müsste nach logischen Überlegungen sein, dass die Verbraucherpreise für alles, was wir Landwirte produzieren, steigen müssen und Lebensmittel noch teurer werden. Dies sollte auch vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass die Mögliche Deckung der Grundbedürfnisse durch erschwingliche Nahrungsmittel einen wichtigen Baustein für Frieden und Sicherheit in unserer Gesellschaft darstellen.

Als Gedankenstütze möchten wir hier erwähnen, dass landwirtschaftliche Produkte nicht nur Milch, Eier und Fleisch umfassen.

Wir produzieren Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte, Ölfrüchte, Zuckerrüben, Kartoffeln und vieles mehr, was dann zu der Vielfalt an Produkten weiterverarbeitet wird, die viele Verbraucher leider nur aus dem Supermarkt kennen. Bitte habt im Hinterkopf, dass nicht nur das Gemüse in der Bio-Abteilung beim Rewe, sondern auch jede Nudel, jedes Fertiggericht, jedes Steak, jedes vegane Würstchen, jedes Bier und jeder Saft – jedes Nahrungsmittel – von Landwirten erzeugt wurde. Auch in Medikamenten und Kosmetikprodukten werden übrigens Trägerstoffe aus landwirtschaftlichen Produkten eingesetzt.

Wir Landwirte produzieren jedoch nicht nur Lebensmittel, sondern unter anderem auch grünen Strom durch die Betreibung von Biogasanlagen, Photovoltaikanlagen und Windrädern und nachwachsende Rohstoffe wie Miscanthus und Holz. Und bevor wir es vergessen: Wir helfen mit unseren Traktoren bei Flutkatastrophen und im Schneegestöber und leisten Unterstützung bei Bergungsarbeiten.

Kurz gesagt: Wir sind absolut systemrelevant und ohne uns zerbricht die Basis der Gesellschaft.

Besonders fraglich werden die Einsparvorschläge der „klimaschädlichen Subventionen“ vor dem Hintergrund, dass die Landwirtschaft als einziger Sektor die gesetzten Klimaziele einer CO2-Reduzierung von mindestens 23% seit 1990 und dem immensen Ausbau erneuerbarer Energien wie Photovoltaik-, Windkraft- und Biogasanlagen im ländlichen Raum einhält. Im Gegensatz zu anderen Branchen leistet unsere Branche somit einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz. Gleichzeitig soll gerade diese Branche im Gegensatz zu anderen überproportional und unverhältnismäßig belastet werden. Dies ist nicht gerecht, nicht gerechtfertigt und somit auch nicht hinnehmbar.

Die Alternativen zum aktiven Erhalt der deutschen bäuerlichen Landwirtschaft sind der Import von Lebensmitteln aus dem Ausland mit geringeren Produktionsstandards und durch klimatische und politische Krisen unsicherer Produktionssicherheit, mit dem eine Abhängigkeit von eben diesen Staaten einhergeht, oder ein Strukturbruch hin zu großen Agrarkonzernen.

Wir demonstrieren also nicht nur wegen zwei aktuellen politischen Maßnahmen, denen wir kritisch gegenüberstehen. Wir demonstrieren, weil das Maß an Restriktionen für unsere Branche und auch jeden Einzelnen von uns seit langem voll und nun deutlich überschritten ist.

Wir demonstrieren dafür, dass wir als Ernährer der Gesellschaft weiterhin unsere Familien ernähren können.

Wir demonstrieren, weil wir uns übergangen fühlen und unsere harte Arbeit wie auch unser extrem hoher Beitrag zur Gesellschaft nicht wertgeschätzt werden.

Wir demonstrieren dafür, dass wir unseren Kindern für die Hofübergabe wieder Zukunftsperspektiven in der Landwirtschaft zeigen können.

Wir demonstrieren dafür, dass wir weiterhin den Beruf ausüben können, der für viele von uns eine Berufung ist.

Wir sind bereit für eine nachhaltig ausgerichtete Zukunft der Landwirtschaft, die die Planungssicherheit für Landwirte und die Versorgungssicherheit der Bevölkerung berücksichtigt. Hierfür braucht es jedoch eine umsichtige und an wissenschaftlichen Fakten orientierte Politik sowie schnelle und intensive Forschung an alternativen zukunftsfähigen Technologien für die gesamte Agrarbranche.

Wir möchten diesen Weg in die Zukunft aktiv mitgestalten und keine Steine in den Weg gelegt bekommen. Fragt uns Landwirte, denn wir sind keine dummen Bauern, sondern hochqualifizierte Fachkräfte!

Meinungen kann man nur für sich selbst ausdrücken. Wir als Familie können daher ganz klar sagen, dass wir nicht rechts – nicht einmal konservativ – sind, den Klimaschutz als wichtig erachten und eine nachhaltige Landwirtschaft aktiv auf unserem Hof betreiben. Unserer Auffassung nach ist Landwirtschaft nicht schwarz, blau oder braun. Sie ist bunt, so wie unsere Gesellschaft und diese Vielfalt zeichnet sie aus.

Klar und deutlich distanzieren wir uns für deshalb von der Vereinnahmung unseres friedlichen, demokratischen und sachlich begründeten Protests durch Personen jeglicher extremistischer Richtung für ihre fragwürdigen Zwecke. Das Propagieren von Umsturzfantasien und das Verherrlichen von Gewalt verurteilen wir aufs Schärfste. Auf unseren Demonstrationen ist kein Platz für rechts- oder linksextremes Gedankengut sowie Hetze gegen Parteien oder Politiker.

Wir fordern von der Politik mit Sinn und Verstand zu handeln und deswegen werden wir selbst auch genau dies tun.

In Hoffnung auf Verständnis,

eure Familie Höcker